Über Itami, meinem Abflug Flughafen, bin ich nach Kobe Richtung Süden weiter geradelt. Dort gibt es die japanische Golden Gate Bridge über welche man auf die Insel Awajii kommt und dann weiter eine ganz angenehme Gegend mit feinem Klima – Felder voller Lotosblüten ca 2 m hoch und Kilometer lang – wunderschön.
Mit Saijō habe ich den südlichsten Punkt meiner Japanreise erreicht Punkt von hier ist es mit der Fähre nach Osaka zurückgegangen. Ein außergewöhnlich schöner und angenehmer Teil Japans.
Die Bilder sprechen für sich. Hier ist das Leben auf der Straße und jeder sucht nach seinem Glück…….
Hätte es nicht gedacht am Anfang aber diese Stadt ist wirklich sehenswert.
CYCLING JAPAN – wie war es dieses Lang von Norden nach Süden zu durchfahren ?
Beim Start war mir doch recht mulmig ohne Training und körperliche Vorbereitung dieses Abenteuer anzutreten – die Angst vor der grössten Bärendichte der Welt ist meiner fehlender Fitness zur Seite gestanden. Die haben sich aber gut miteinander verstanden bzw ergänzt und nach ein paar Tagen war der Spuk vorbei. Kontakt mit einem Kragenbären hatte ich schlussendlich nur einmal Nachts, eine Tagesetappe vor Nagano entfernt. Körperlich war es erstaunlich unkompliziert – keine Salben, keine Schmerzmittel, ein paar Elektrolyte, das wars – es war das erste mal, dass ich mein Leiberl vom eigenen Saft auswinden konnte – klingt nicht appetitlich aber es war wirklich unglaublich heiss!
Zur Orientierung: der Breitengrad von Sapporo liegt auf Höhe Florenz und mein südlichster Punkt in Saijo Shikoku liegt auf der Höhe von Tripolis – da brennt es ordentlich runter wenn die Wolkendecke fehlt.
Mental hat´s einige Momente gegeben in denen ich geschumpfen habe wie ein Rohrspatz, das Ziel vor Augen, die grosse Strasse führt durch einen Tunnel und Du darfst noch kurz über die Serpentinen des Bergrückens ….. aber auch grosse Freuden zB ganz cool langsam auf kleinen Nebenstrasse von Orten überrascht zu werden, die kein Tourist im Shinkansenfieber zu sehen bekommt – es war sehr schön !
Ein Dankeschön möchte ich noch Zauberschrauber Bernd weitergeben der mein Fahrrad top revisiert hat, damit ich auf den vielen Höhenmetern und die geradelte Distanz von 2500 km praktisch pannenfrei erleben konnte.
Vielen Dank an Birgit und meine Kinder die mir zeitverschoben, sehr amüsant whatsappend, die Fahrt verschönt haben – Vielen Dank .
Die Japaner selbst:
Regeln Regeln Regeln und Schilder und Regeln – that´s Japan! Das ist so die Richtschnur was dieser Gesellschaft Halt gibt, und natürlich Freundlichkeit und Wahrung von Distanz.
In Japan kann Dir unglaubliche Freude und Vertrauen entgegengebracht werden, ebenso wie unsinniges Regelwerk, dass mich oft den Kopf hat schütteln lassen.
Im Norden habe ich viele arme, desolate, oft zusammengebrochene Häuser und Gewerbebetriebe gesehen und zB in Osaka bin ich sehr erschrocken ab den vielen Obdachlosen die unter Brücken Ihr zuhause aufgebaut haben. Bei den hohen Lebenskosten und einen Einkommen das 15 % unter unserem Niveau liegt ist völlig klar, dass es keinen grossen Spielraum gibt und der Fall durch den Rost beängstigend schnell passieren kann, vermutlich sind die Japaner deshalb sehr hierarchisch organisiert und angepasst an das was Alle machen um nicht aufzufallen. Der Anteil an älterer Bevölkerung ist sehr gross, genau wie ein fast genetisch anmutendes Problem von gebückter Körperhaltung, Verformungen der Beine wie sie bei uns nicht auftritt. Ebenfalls war sehr markant, dass viel Ältere weit im Pensionsalter immer noch berufstätig sind – geordnet gebraucht zu werden erscheint Ihnen sehr wichtig zu sein.
In der Arbreitswelten der Stadt haben Männer ein weisses Hemd und eine dunkle Hose an – Punkt und Frauen sind herausgeputzt um zu dienen, so das gängige Rollenbild.
Die Gegenbewegung und Modernität in den Städten ist ebenso beeindruckend, weil es dort unheimlich viele, sehr gut gekleidete Menschen gibt und sich mit diesem Hintergrund entsprechend modere Architektur umsetzen lässt.
Alles baut auf Konsum und Digitalisierung – das geht soweit, dass Du am Automat Dein Essen aussuchst und bezahlst – anschliessend im Gebäude wird Dir ein Sitzplatz zugewiesen und Du wirst bedient oder Du stehst an der Kassa im Supermarkt und die Dame ( habe keinen einzigen Verkäufer gesehen ) nimmt jedes Teil einzeln in die Hand, scannt ihn, legt es von einem Korb in einen Anderen und Du darfst danach am Automat hinter der Kassa bezahlen und bekommst erst dann Deine Ware in die Hand gedrückt – das hat was pathologisches von Schreibtischzitronenauspressoptimierern.
Digitalisierung und Zerfall des Persönlichen wird hier vorgelebt und zieht sich fort im Lovehotel
( 2000 Yen / Stunde ) die den perfekten Seitensprung mit Einzelgaragen in den Vorstädten ermöglicht oder Spielhallen in Kaufhausgrösse, voll mit Leuten die rauchend ( der einzige Ort wo in Japan öffentlich geraucht werden darf ) und unter ohrenbetäubendem, künstlichem Lärm schon ab Vormittag gezockt wird.
Andererseits gibt es dieses besessen Fleissige was Eindruck macht – wenn man an all den Produktionsstätten der Weltmarken vorbeiradelt ( Epson, Toyota, Kyocera, TDK, Panasonic, Daihatsu, Canon, Fuji, Shimano, Honda, Sony, Kawasaki, usw )
Das Land befindet sich nach Jahren der Depression doch in einem regen Aufbruch und sie freuen sich durchs Band mit Olympia 2020 Ihr Land zeigen zu können – die Hysterie der Fussball WM und des Baseball habe ich live erlebt.
Diese Isolation in der friedlichen 250 jährigen Edozeit hat viel Altes Bauliches bewahrt und ein pathetisches Verhältnis zur Tradition geschaffen. Weil alles geregelt sein muss in Japan geht dieser Zerfall verzögern oder langsamer als bei uns.
Im Alltag teilt die digitale Realität der Tradition ein untergeordnete Rolle zu und in 1 – 2 Generationen wird dieser Faden reißen, wie in der gesamten westlichen Welt.
Der Traum, dass Konsum und Maschinen alles erledigen werden und wir mit Maschinen unser körperliche und geistige Fitness weitertreiben ist eine Sackgasse!
Aber das ist ein anderes Thema – Japan ist ein absolut sicheres Reiseland mit sehr hohem Standard und dem Nachteil der sehr schwierigen Verständigung.
Heim geht´s – die paar Wochen sind schnell vergangen – sehr abwechslungsreich, manchmal sehr anstrengend und heiss, tiefste Provinz und Grosstadt pur!
Anflug von Norden Richtung Tokyo
Blick auf Osaka Hafen Richtung Kobe
Leben – Alltag:
Der Alltag ist als Reisender sehr einfach machbar und vernüftig Essen gehen kostet 6 – 12 Euro. Fisch Reis und Getränke sind deutlich billiger als bei uns. Beim Appetit auf Fleisch, Patisserie, Obst und Gemüse geht das allerdings richtig ins Geld – 1 Stk Torte in der halben Grösse wie bei uns so um die 5 Euro, 1 Stk Pfirsich 3 – 4 Euro, 1 Stk Tomate 1,5 Euro, 0,5 kg Trauben 10 Euro ….
Die amerikanischen Convinistore´s sind als Grundversorgung mit Internet und Alltäglichem gut zu gebrauchen aber völlig überteuert. Fertig gekochtes Essen im Supermarkt zu holen ist japanischer Standard und in der Tradition – viel verschiedenes in kleinen Mengen – sehr bekömmlich.
Klima – Natur:
In Hokkaido hab ich alles angezogen was ich gehabt habe. Einmal hat es 5 Grad in der Nacht gehabt und in den ersten 2,5 Wochen hat es täglich geregnet von denen trotz guter Ausrüstung 1,5 Tage einfach nicht fahrbar waren. Ab Nagano war der Spuk vorbei, herrliches Wetter bis in den Süden nach Shikoku = Breitengrad von Nordafrikas und heisst übersetzt: die exponierten Körperteile sind bedeckt und fahren um zu kühlen – sünnala ist da nicht angesagt aber in Wirklichkeit kein grosses Problem – halt anstrengend. Meine Sehnsüchte zuerst nach Sonne und später nach Wolken wurden ab und an erhört.
Alles mit Fahrrad:
Fahrradfahren in Japan hat es in sich – spezielle Infrastruktur existiert nicht oder ist nicht zu gebrauchen ( verwurzelter Fahrradstreifen mit Gepäck: ein Traum … )! Aber Du hast Narrenfreiheit mit dem Fahrrad: einfach kreuz und quer drauflos gegen die Richtung bei rot über die Ampel – keiner sagt was – das ist angenehm und auch notwendig weil ein japanische Ampelrotphase dauert 5 Minuten – in der Sonne bei 36 – 38 Grad nicht lustig! Auf Nebenstrassen gibt es öfter 13 bis 15 % Steigung – mein Highlight waren 25 ! Die Lkw-Fahrer sind sehr vorsichtig und die gefährlichsten sind die übermotorisierten Kleinfahrzeuge oder großkotzige Limosinen und Familyvan´s – denke das ist überall das Gleiche. Eine Herausforderung sind Flusstäler und felsige Küstenabschnitte und heisst übersetzt am Meer entlang können in einer Tagesetappe gleich mal 500 – 800 Höhenmeter zusammen kommen. Die Campinginfrastruktur könnt Ihr vergessen, aber es ist praktisch überall sicher um sein Zelt aufzustellen, Ihr müsst halt damit rechnen das es nächtlichen Besuch gibt und es sind keine Hunde ; – )
Gefahren bin ich mit meinem Velotraum VK 9 Rohloff mit Magura HS33 – so schwach um die 40 kg – da gibts schon was durch die Gegend zu schieben, aber schon ein gutes Gefühl auch mal mit Tempo über einen Absatz düsen zu können.
Die letzten Jahrhunderte:
In der Edo – Epoche von 1608 bis 1868 war das Land unter dem Shogunat und einem System der Stände für 250 Jahre völlig isoliert. Unter dem Druck des Völkerbundes hat sich das Land danach geöffnet und der Kaisertum wurde wieder installiert.
Im Kriegsmahnmal in Nagano liegen 2,4 Mio Tote der seid diesen letzten 150 Jahre begraben, Tote von Angriffskriegen im Grössenwahn ( wie sich die Europäer zB Afrika aufteilten ) haben die Japaner Ihre westlichen Nachbarn und Russland überfallen – die Kurilen, Kamtschatka, Festland hinter Vladivostok, die Mandschurei bis tief in die chinesische Mitte und Korea unter den Nagel gerissen mit dem Höhenpunkt des Reiches in den 1930 er Jahren – die Geschichte ab dem zweiten Weltkrieg ist bekannt.
Dieses neurotische von Ländern oder ehemaligen Reichen die den Krieg verloren haben und besetzt wurden ( Japan und Deutschland bis heute ) geht nicht aus dem Sinn und wenn es über 100 Jahre her ist wie unsere Monarchie oder das Thema Südtirol.
Comments
Ein Kommentarursula weber urs hausherr
Juli 15, 2019lieber Hans-Peter,
wir hatten Christian zu besuch in unserer ferien-whg (haus piz-buin, umbau durch euch 2013)
er hat uns von deiner web-site erzählt und dass du in Japan gewesen seist.
wir haben diese seite besucht. guter text, gute beobachtungen und haben viel wiedererkannt.
etwas schade, dass es nicht mehr bilder zu sehen gibt!
wir waren im letzten herbst für 10 wochen in Japan, auch mit den velos, mit zelt.
es war eine intensive, wunderbare zeit.
ganz herzlich
Ursula+Urs